Aktuelle Gedanken

Von der Kunst des Humors in schweren Zeiten

Das obige Bild Christian Kondler



Aufgrund eines Defekts in meiner Wirbelsäule erlebte ich von 1997 – 2014 eine Zeit mit chronischen Schmerzen, welche mich in einen Couch-Potatoe verwandelten. Für ein Buch über „Nichtmedikamentöse Schmerztherapie“ wurde ich vom Springerverlag eingeladen, einen Beitrag zu schreiben: „Humor trotz(t) Schmerzen“.
Aufgrund dieses Artikels wurde ich vor kurzem vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eingeladen, zum Thema Humor einen Online-Vortrag zu gestalten. In der Vorbereitung darauf, fragte ich mich, ob ich meinen Erinnerungen und meinem Humor trauen kann. Immerhin liegt meine schwere Zeit weit zurück.

Ich begann in meinem Tagebuch von damals zu lesen:

Meine Seele ist nicht von den Nadeln verletzt, nicht von den Stichen, die unter die Haut und tiefer gehen. Meine Seele schreit, weil man ihr nicht glaubt. In diesem nicht ernst genommen werden, ist es schwierig mir selbst treu zu bleiben und dennoch ist der Humor eine gute Möglichkeit zur Distanz. Heute habe ich wieder Viktor Frankl gelesen und es ist, als ob mein Geist meine Seele wärmt und wieder atmen lässt. Es ist unglaublich wie mich seine Gedanken wärmen. Wenn ich Frankl lese, höre ich fast immer seine Stimme. Ich habe einfach vergessen, welche Schätze ich für mich selbst angelegt habe.
Wärme und Kälte stecken in einigen Erlebnissen und es tut mir gut einen Blick auf das zu werfen, was mich wärmt, dann kann ich auf das schauen, was mich frieren ließ.

Ich befinde mich auf einer Expedition, die nicht geplant war. Der Abstieg ist unmöglich und beim Aufstieg tobt ein eisiger Wind. Mir ist klar, ein Verharren führt in die Erstarrung. Die Frage ist, soll ich im Biwak auf besseres Wetter warten? Oder ist an dieser Stelle des Aufstiegs immer schlechtes Wetter und oben ist es hell?








Das Menschenbild von Viktor Frankl ist dreidimensional. Er sieht den Menschen als ein Wesen mit Körper, Seele und Geist. Wobei der Geist nicht identisch ist mit dem Verstand. Die geistige Dimension erklären zu wollen bringt mich (und alle, die diese Dimension ernst nehmen) an die Grenze des Verstehen-Könnens.

Denn der Geist, die geistige Person selbst, kann überhaupt nicht krank werden.“ schreibt Viktor Frankl in den Thesen zur Person.



In einer Nacht, in der meine Verzweiflung den Schlaf vernichtete und mein Selbstmitleid meinen Mut bedrohte, fiel mir Viktor Frankl ein und seine Idee vom warmen Saal, in dem er vor interessierten Menschen einen Vortrag hält. Er beschreibt diese Geschichte im „…trotzdem Ja zum Leben sagen“.

In dieser Verzweiflung stöberte in meinen Erinnerungen und dachte an Erlebnisse, die mich freuten. Ich stellte mir sie sehr konkret vor und ich habe sie nie mehr vergessen. Es dauerte mehr als zwei Jahre, bis ich den ersten Wunsch, einen Ausflug auf die Rax in Niederösterreich (die Rax war der Berg den Viktor Frankl liebte) tatsächlich verwirklichen konnte.

Die „Trotzmacht des Geistes“ wie Viktor Frankl diese innere Macht bezeichnet, ist mehr als nur mit dem Verstand positiv zu denken. Irgendwann gehört zur Trotzmacht auch die praktische Umsetzung. Diese Veränderung fordert heraus, ist mühsam und brachte mich oft an Grenzen, die nicht leicht zu akzeptieren waren. Doch die Akzeptanz, dass einiges oder vieles nicht mehr möglich ist, was vor der Erkrankung selbstverständlich gewesen ist, war ein wesentlicher Schritt, um neue Wege gehen zu können.

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