Das Foto zeigt den Innenraum der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin.
Warum baut man eine Mauer? Offensichtlich weil das, was man erreichen möchte nicht gelingt.
Richard von Weizsäcker
Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 war für mich, das bedeutendste Ereignis der Geschichte in meinem Leben. Geschichte hat mich immer interessiert, besonders jene des 20. Jahrhunderts. Ich staune noch immer über diesen nicht erwartbaren Glücksmoment: Ein Wendepunkt europäischer Geschichte, ohne dass ein Schuss fällt – wo und wann hat es das schon gegeben?
Nun erlebe ich und viele andere eine Zeit, in der manche lieber Mauern bauen möchten. Der Begriff Brandmauer wird in Gesprächen verwendet. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Baubranche: Eine Brandmauer soll Gebäudeteile schützen, ein Feuer daran zu hindern sich auszubreiten.
In der Politik bedeutet eine Brandmauer, dass eine Partei oder eine politische Gruppe bewusst eine Grenze zieht, um sich von radikalen oder destruktiven Ideen oder Bewegungen zu distanzieren. In diesem Kontext ist die Brandmauer ein Standpunkt, der nicht überschritten werden soll, um humane Werte und demokratische Grundsätze zu schützen.
In jedem Land gibt es unterschiedliche Hindernisse und verschiedene Ziele, die von den Launen der Geschichte und persönlicher Erfahrung geformt wurden. In Gesprächen mit jungen Menschen beeindruckt mich nicht die Unterschiedlichkeit, sondern der Gleichklang ihrer Ziele, ihrer Wünsche und Sorgen und Hoffnungen für die Zukunft.
Es gibt Diskriminierung in unserem Land, Krieg in der Ukraine, Krieg im Nahen Osten, Menschen verhungern in Afrika, Intellektuelle gehen in Russland ins Gefängnis, Unsummen für die Rüstung werden überall ausgegeben. Es sind verschiedene Übel, aber sie alle sind das Werk des Menschen. Sie sind Ausdruck der Unvollkommenheit menschlicher Gerechtigkeit, Unzulänglichkeit mitfühlender Anteilnahme und zeigen die Grenze unserer Fähigkeit auf, unser Wissen zum Wohle anderer zu verwenden.
„Jemanden verwöhnen heißt, seine Wünsche nicht beschneiden, ihm den Eindruck geben, dass er alles darf und zu nichts verpflichtet ist. Ein Mensch, der unter solchen Bedingungen aufwächst, hat seine eigenen Grenzen nicht erfahren. Weil ihm jeder Druck von außen, jeder Zusammenprall mit anderen Wesen erspart blieb, glaubt er schließlich, er sei allein auf der Welt, und lernt nicht, mit anderen zu rechnen.“
Ortega y Gasset
Erkenntnis hat damit zu tun, ein Gespür für Grenzen zu entwickeln und diese auch zu akzeptieren und zu respektieren.
Im Wahrnehmen unserer Begrenztheit können wir den Blick nach oben wagen. Vielleicht taucht dann eine Ahnung von Zuversicht auf und wir können die engen Bahnen unseres Denkens verlassen.
Als solcher entzieht er sich auch jedweder Organisation. Und doch führen schmale Brücken vom einen zum anderen, und diese Brücken tragen, und auf diesen Brücken bewegt sich der Geist der Zeit –
der Geist der Zukunft ist.
So finden sich denn menschliche Menschen von überall her über die Grenzen hinweg zusammen.“
Inspirationsquellen in Geschichten
„Deutschland – ein halbes Leben“ ist ein sechsteiliger Storytelling-Podcast über Deutschland 35 Jahre nach dem Mauerfall und den denkwürdigen Wahlen auf Europa- und Landesebene.
Christian Bollert und Joana Voss sprechen in diesem Podcast mit drei, die am 9. November 1989 geboren wurden. Sie begegnen auf ihre Reise einigen, die in dem Podcast zu Wort kommen.
„Deutschland – ein halbes Leben“
„Es ist ganz wichtig, dass man irgendwann realisiert, was einem gegeben ist und was nicht. Was wäre aus mir geworden wenn …? Das sind so die Fragen, die ich mir nicht stelle. Ich bin, was ich bin und nicht das, was ich sein will. Man ist immer das, was man tut, nicht das, was man tun möchte. Und in dem, was man gerade macht, ist man also auch immer auf der jeweiligen Höhe seiner Möglichkeiten.
Man bildet mit der Welt, in die man gerade hineingestellt ist, immer eine Einheit. Ob einem das nun passt oder nicht. Meistens passt es einem nicht.“
Regine Hildebrandt
Ein Gespräch zwischen Günter Gaus und Regine Hildebrandt höre ich immer wieder.
Link zum Gespräch
Das kann man gar nicht. Sie läßt sich ja nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen.
Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.
Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will,
der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“